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Akzent 4:  Die Logotechnik von Claus Schedl

'Logotechnik' ist bei Claus Schedl eine Methode der Textformung nach quantitativ (in Einheiten von Wörtern) vorgegebenen und nach Zahlenmodellen aufeinander abgestimmten Textlängen. Die grundlegende Veröffentlichung hierzu ist sein 1974 erschienenes Buch 'Baupläne des Wortes. Einführung in die biblische Logotechnik.' . Das Buch enthält: 
- 'Prolegomena zur biblischen Textforschung' (hier auch eine allgemeine Beschreibung der logotechnischen Methode), 
- 'I.Teil: Die Tetraktys in der biblischen Umwelt',
- 'II.Teil: Paradigmen zur Tetraktys als Modell literarischer Texte' (22 kleinere und 10 große Beispiele aus dem AT und NT für die Anwendung der Tetraktys als Textbauplan; dies ist der Hauptteil des Buches),
- Ein Abschlußteil, der sich noch einmal mit der möglichen Herkunft der Logotechnik befaßt sowie eine mehrseitige Übersicht über die im II. Teil vorgestellten Strukturmodelle enthält.
Schedls Logotechnik ist ein Paradebeispiel für den Versuch, im biblischen Text quantitative Strukturen zu finden. Um es gleich vorweg zu sagen: Ich halte seine Resultate nicht für nachgewiesen und nur bedingt für nachweisbar. Seine Ergebnisse sind aber auch nicht einfach von der Hand zu weisen, denn einerseits sind sie detailliert begründet, andererseits gibt es deutliche Hinweise darauf, daß die Alten bei der Abfassung ihrer Schriften auch die Abmessungen des Wortbestands im Auge hatten. Es wäre darum sehr zu begrüßen, wenn sich jemand mit der Logotechnik auseinandersetzen würde, der wirklich etwas von Statistik versteht.
Wie es sich für eine kurze Einführung gehört, werde ich jetzt die wesentlichen Punkte der Arbeitsweise Schedls skizzieren und ein Beispiel vorführen:

Zunächst wird anhand der Originalhandschriften, nicht etwa anhand der bereits stark überarbeiteten kritischen Textausgaben, nach abgegrenzten 


Baueinheiten eines Textes gesucht. Sie können z.B. im AT durch die Einteilung des Textes in 3 Spalten (Codex Leningradensis), die offenen (Petucha) und geschlossenen Abschnitte (Setuma) sowie durch die Aufteilung des Textes auf die Zeilen gegeben sein (vgl. z.B. Wonneberger, 3.2, S.17ff) . Als Altorientalist und Theologe war Schedl absolut kompetent, detaillierte Differenzierungen dieser Art an den Handschriften selbst durchzuführen.
Im nächsten Schritt seiner Arbeitsmethode wird versucht, die Struktur des betrachteten Abschnitts genauer aufzulösen, zumeist in drei 'literarische Arten'. Hören wir Schedl selbst:
"Im wesentlichen geht es um folgende drei: 
a) Bericht (B):
Dem Hauptstrang des Textes, sozusagen dem cantus firmus, wurde die Bezeichnung 'Bericht' gegeben. Es kann sich hierbei um prophetische Verkündigung wie auch um historischen Bericht im eigentlichen Sinn handeln.
b) Einleitungen (E):
In diesen laufenden Grundtext wurden durch klar abgegrenzte, meist mit dem Verb 'amar , 'sagen', 'sprechen', gebildete Einleitungsformeln direkte Reden eingebaut.
c) Rede (R):
Über die Abgrenzung der direkt von einer Person gesprochenen Wörter, also der Rede, gibt es kaum je Zweifel.
Innerhalb der so gewonnenen 'Gattungen' ist dann näherhin auf den Sprachbau, also auf die Technik des Wortes zu achten. Hier kommen alle Spielarten der Linguistik zum Zug. Das tragende Element der Sprache ist nun einmal das Verbum. Die kleinen Einheiten werden daher sichtbar, wenn man den Text nach Haupt- und Nebensätzen erfaßt. Meist ist es das Verbum, das die Abgrenzungen anzeigt.
Um nun zu sehen, ob bautechnische Strukturprinzipien vorliegen, wurden jeweils nicht die poetischen Akzente, über die es eine Vielfalt von Meinungen gibt, sondern schlicht und einfach alle Wörter der 'Gattungen' B - E: - R sowie der kleinen Einheiten gezählt. Hier treten dann Werte in Erscheinung, die aufhorchen lassen. [...]
[Die Zahlen] weisen entweder auf den Kalender, auf Mond- und Sonnenjahr oder das Siegel des Gottesnamens. Vor allem aber war die Formung eines Textes nach dem Modell der 'großen Zehnheit der Worte', der im griechischen Raum hochberühmten Tektraktys beliebt." (S. 25)

Nun müssen wir etwas genauer verstehen, woran Schedl denkt, wenn er von der 'Tetraktys' spricht. Er widmet diesem Begriff und seiner Herkunft 18 Seiten seines Buches. Uns genügt es aber, den Grundbegriff zu verstehen. Stellen Sie sich zunächst ein Tetraeder vor. (Denken Sie an die Getränketüten mit den 4 dreieckigen Flächen. Ein Tetraeder ist ein 'Vierflächner'. ) Man kann die Zahl 10 als Summe der 6 Kanten und 4 Ecken (bzw. 4 Flächen) eines Tetraeders auffassen. So etwas zu tun mag uns fremdartig erscheinen, ist aber ein Kernstück pythagoreischer Philosophie gewesen. Wenn man das als historisch Gegebenes akzeptiert, dann sieht man, daß sich die 10 in 4 + 6 teilt. Dabei ist nicht so wichtig, daß 4 + 6 = 10 ist, sondern daß sich die Aufteilung in 4 und 6 durch die geometrisch /mathematische Figur ergibt, insoweit also als nicht willkürlich angesehen wurde. 
Weiter ergibt sich so aus einer geometrischen Überlegung eine Anordnungsmöglichkeit für weitere Zahlen, die beispielsweise den Ecken oder Kanten zugeordnet werden können.
Betrachtet man das Tetraeder von oben und ordnet die Zahlen 1 bis 10 zeilenweise entlang der Kanten des Basisdreiecks an (bzw. an den Ort der Spitze des Tetraeders), dann erhält man eine sogenannte 'kleine Tetraktys' (die 'große Tetraktys' ordnet größere Zahlen zu):

      1
    2   3
  4   5   6
7   8   9  10

An dieser Anordnung ist auffällig, daß die Summe der unterstrichenen Zahlen, die an den 4 Ecken sitzen, gleich 23 ist, die Summe der übrigen Zahlen liefert gerade die spiegelverkehrte Ziffernfolge: 32. Damit haben wir aber bereits die Symbolzahlen des Grundmodells der Tetraktys dargestellt, das Schedl seiner Suche nach quantitativen Strukturen im Bibeltext zugrundelegt. Das Grundmodell 55 = 23 + 32 interpretiert Schedl als literarisch bestehend aus IV Zeilen zu 23 und 6 Zeilen zu 32 Wörtern, also zusammen 55 Wörtern (S.242). Hierbei entspricht die Anzahl der Zeilen IV + 6 = 10 der Tetraktys als Summe der Zahlen 1 bis 4 (vgl. Anmerkung).


Beispiel  (S.73/74)  :     Genesis 15,17-21

Die Spalten B, E: und R enthalten die Anzahl hebräischer (!) Wörter für den links stehenden deutschen Textabschnitt.


Text in Deutsch: B E: R
I
Es geschah, die Sonne war untergegangen und es war Finsternis,  5


II
siehe: ein Rauchofen und eine Feuerfackel, 5


III
die zwischen den Stücken hindurchfuhr.
5


IV An diesem Tag schloß Jahwe einen Bund mit Abram 7


sprechend:
1:
1 Deinem Samen gebe ich dieses Land,

5
2 vom Strom Ägyptens


3
bis zum großen Strom, dem Euphratstrom, 

4 die Keniter und die Kenasiter und die Kadmoniter, 

5 und die Hetiter und die Perisiter und die Rafaiter, 

6 und die Amoriter und die Kanaaniter und die Girgaschiter und die Jebusiter.

8

Summe = 55 = 
22B+ 1E+ 32R

Genesis 15,17-21 ist nicht irgendein Text, sondern der Bundesschluß Jahwes mit Abram. Wenn tatsächlich einer der Alten logotechnische Konstrukte in seinen Text eingebaut hat, dann ist dieser Abschnitt ein guter Kandidat. Und tatsächlich: Es gelingt Schedl mit Hilfe seiner drei Textarten B, E: und R den Abschnitt in IV + 6 = 10 Zeilen mit (22+1) + 32 = 23 + 32 = 55 Wörtern zu gliedern. Selbst den überraschenden Übergang zu einer neuen Zeile nach den 2 hebräischen Wörtern für 'vom Strom Ägyptens' kann er begründen: In der Handschrift (nicht in der BHS etwa!) stehe nach 'Ägypten' ein / Trennungszeichen, daher die neue Zeile. Wir sehen also ein gelungenes Beispiel für eine logotechnische QSA vor uns. 32 Beispiele dieser Art bringt Schedl in seinem Buch 'Baupläne des Wortes'. Seine "Geschichte des Alten Testaments", I. Band "Alter Orient und Urgeschichte" hat er in der englischen Fassung von 1974 komplett logotechnisch überarbeitet, so daß dort noch erheblich mehr Material dieser Art zu finden sein wird (ich besitze kein Exemplar). Zahlreiche weitere Beispiele zu Schedls Arbeitsweise finden sich in seinem Buch 'Talmud Evangelium Synagoge".

Die Frage, die jetzt gestellt werden muß, ist natürlich: Ist diese Struktur zufällig entstanden oder ist sie mit Absicht eingebaut worden? Wie wahrscheinlich ist es eigentlich, solche Strukturen in irgendwelchen anderen Texten zu finden? Die Erfahrungen mit dem 'Bibelcode' sollten uns ja gelehrt haben, daß die erstaunlichsten 'Informationen' aus beliebigen Texten gefiltert werden können, wenn man nur fleißig genug sucht! Und tatsächlich gibt es, auch ohne andere Texte analysieren zu müssen, in Schedls Buch bereits Hinweise darauf, daß eine nicht allzu kleine Wahrscheinlichkeit besteht, fündig zu werden. Betrachtet man nämlich seine Liste der 'Baumodelle des Wortes' (S.242-246), dann finden sich allein vom Tetraktysmodell 5 Varianten, außerdem noch 10 weitere ganz anders motivierte Zahlenmodelle, die teilweise selbst wieder nach verschiedenen Kriterien unterteilbar sind. Allein unter dem Stichwort XIV 'Kalendermodelle' werden 9 verschiedene Zahlen aufgelistet, mit Hilfe derer ein Text geformt worden sein könnte. Ist es also bereits klar, daß Schedl sich geirrt hat? Wie oben bereits gesagt, halte ich seine Resultate nicht für nachgewiesen und nur bedingt für nachweisbar. Aber es ist meines Wissens überhaupt noch nicht versucht worden, einen statistischen Nachweis für oder gegen die Gültigkeit von Schedls Beobachtungen zu führen und es wäre eine ebenso wichtige wie anspruchsvolle Aufgabe, dies endlich zu tun. M.E. sollte sich ein solcher Versuch im ersten Ansatz darauf konzentrieren, die wichtigsten verwendeten Symbolzahlen zu definieren und dann mit Computerunterstützung die biblischen Grundtexte sowie zahlreiche Kontrolltexte auf die Häufigkeit entsprechender Satzlängen zu untersuchen. Damit erhielte man ein erstes quantitatives Maß für die Wahrscheinlichkeit, bestimmte Satzlängen zufällig 'versammelt' zu finden und ein Maß für den Einfluß des 'Rauschens' bei logotechnischen Analysen. Falls diese Untersuchung nicht bereits zu einer eindeutigen Widerlegung der Logotechnik führt, könnte in einem zweiten Schritt die 

Strenge und Sinnhaftigkeit der Schedlschen Modell-Definitionen und die Konsequenz ihrer Anwendung überprüft werden. Bekanntlich liegt an dieser Stelle auch das Hauptproblem des 'Bibelcode'. Dort ist das Problem sogar so groß, daß die Kritiker McKay und Bar-Natan in einem Artikel in der Zeitschrift Chance zu der Feststellung gelangen: "... the unsystematic nature of the search methodology makes the calculation of a responsible number for the probability of any particular discovery impossible to do analytically... "(S.14). Schedls Logotechnik ist allerdings bzgl. ihres Definitionsbereiches und ihres Ergebnisgehalts von sehr viel geringerem Anspruch, so daß in Einzelbeispielen vielleicht sogar eine analytische Abschätzung der Irrtumswahrscheinlichkeit möglich ist. Trivial ist das aber sicher nicht.

Abstract:
(Akzent 4: Claus Schedl's 'Logotechnik')
'Logotechnique', a term coined by the late Austrian scholar Prof. Claus Schedl, is defined to be a method of constructing a text according to quantitative models, especially according to the Greek Tetraktys. Schedl's procedure of exploring biblical (and other ancient) texts for logotechnical constructions is given mainly by dividing up the selected passage into the 3 subdivisions 'Bericht' B (report), 'Einleitung' E (introduction) and 'Rede' R (speech). The lengths of these subdivisions are measured in words. In a final step Schedl looks for a fitting quantitative model like the Tetraktys. The validity of this method has never been checked out statistically. Who will accept the challenge?
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Ende  Akzent 4



Wegen ihrer Eigenschaft als quantitative Struktur eines Textes hat die Logotechnik, ähnlich wie auch andere QSA-Verfahren, zu der Auffassung geführt, man könne mit ihrer Hilfe auffällige Eigentümlichkeiten des Textes erklären. So meinte Schedl: "Vom ganzheitlichen Plan her wird auch die Formung einzelner Sätze verständlich und manche textlichen Schwierigkeiten können dadurch geklärt werden." (Baupläne..., S.25) Nun ist das allerdings ein ebenso verständliches wie zweifelhaftes Ansinnen: Derselbe Text, der benutzt wird, um Logotechnik nachzuweisen, soll durch die Logotechnik erklärt werden. Hier ist zumindest große Vorsicht geboten, damit sich die Katze nicht in den eigenen Schwanz beißt. Es läßt sich zwar nicht von vornherein ausschließen, daß der Text genügend Information enthält, um gelegentlich beide Wege gehen zu können. Aber angesichts der Tatsache, daß Logotechnik noch nicht als nachgewiesen gelten kann, muß die Priorität ganz auf dieser Seite liegen. Einen umfangreichen Beitrag zur logotechnischen Analyse biblischer Texte und damit auch zur Materialbeschaffung für einen statistischen Nachweis lieferte C.J.Labuschagne.


Akzent 5:  Logotechnik und 'Divine Speech Formula' bei C.J.Labuschagne

Im Jahr 1986 erschien in Vetus Testamentum ein Artikel des niederländischen Theologen Prof. C.J.Labuschagne mit dem programmatischen Titel "Neue Wege und Perspektiven in der Pentateuchforschung", in dem der Autor die Logotechnik Claus Schedls als "einzige Methode" zur exakten Bestandsaufnahme von Kompositionstechniken bezeichnet, die sich an Zahlen, insbesondere gematrischen Symbolzahlen orientieren (S.158). Er erklärt: "Ich betrachte die logotechnische Analyse von Texten als unerläßlichen Bestandteil der literarischen Analyse. Es wird der Literarkritik nützen, wenn sie diese Analyse künftig zu ihrem Programm rechnet." (S.159) Labuschagne selbst ging beispielgebend voran und erarbeitete einen dreibändigen Kommentar zum Deuteronomium , der zu jedem Band ein umfangreiches Beiheft mit logotechnischen Ergebnissen beinhaltet. (Falls noch irgendwelche Zweifel bestanden: Es zeichnet sich ab, daß genügend Material bereitgestellt wurde, um die Logotechnik einer statistischen Bewertung zu unterziehen.)  Bereits 1982 hatte Labuschagne einen Artikel unter dem Titel "The Pattern of the Divine Speech Formulas in the Pentateuch" veröffentlicht, der den anspruchsvollen Untertitel trug: "The key to its literary structure". Hier hatte er Entdeckungen über die Verteilungsstruktur der Einleitungsformeln zur Gottesrede im Pentateuch zusammengefaßt, die sich später als sehr gut vereinbar mit der Logotechnik herausstellen sollten. (Schedls Buch 'Baupläne des Wortes. Einführung in die biblische Logotechnik.' lernte  Labuschagne aber erst später kennen, wie wir in einer ergänzenden Mitteilung erfahren.) Da wir die Logotechnik schon in Akzent 4 betrachtet haben, will ich nun die 'Göttliche- Rede- Formeln' vorstellen. Labuschagnes Artikel von 1982 hatte den Zweck "to present the results obtained from a study of the formulas denoting divine speech in the Pentateuch: the cases in which YHWH is the subject of the verbs 'amar, dibber, qara' and siwwah, and where the noun dabar is used in connection with YHWH.

Labuschagne hatte entdeckt, daß die Einleitungsformeln zu göttlicher Rede im Buch Genesis in Gruppen auftreten. Daraufhin hatte er begonnen, sämtliche Einleitungsformeln herauszuschreiben, die sich im Pentateuch finden. Er stellte fest, daß diese Formeln bzgl. des verwendeten Verbs ('amar, dibber, qara', siwwah) gruppiert werden können und überraschende Anzahlen von gleichen Verben pro Gruppe liefern, z.B.: "... clusters of seven occur in Gen. iii, xv, xvii, xviii, xxii, xxxi and xxxv, which seem to be deliberately so constructed, since the subject matter cannot always dictate seven speeches at a time. Moreover, some formulas give the impression of being superfluous in those instances where they occur in one continuing speech (e.g. Gen. xv 4; Ex. iii 6; vi 2 [...])." (S.268/9) Im Buch Genesis etwa ergibt sich für das Verb 'amar diese Abfolge (S.269):

7 + 4 +7 + 4 +7 + 4 + 4 + 7 + 4 +7 + 4 + 7 + 7 + 7 + 4 + 7 + 4 +7 + 4.


Für das Verb qara beobachtete Labuschagne eine Struktur, die sich über die Bücher Genesis bis Numeri erstreckt und, in seiner Terminologie, eine Art "long-range bracketing system" konstituiert, das ein Hauptstrukturelement des Tetrateuchs darstelle (S.270). Das  ist aus zwei Gründen besonders interessant: Einerseits zeigt es, daß Labuschagne allem Anschein nach keine 'reim dich oder ich freß dich'-Methode angewendet hat, sonst hätte er im Deuteronomium sicherlich eine wie auch immer geartete Fortsetzung der 'qara'-Verbverteilung gefunden. Andererseits stimmt die Aufteilung Tetrateuch/ Deuteronomium mit der bekannten offensichtlichen literarischen Unterschiedlichkeit dieser beiden Teile des Pentateuchs überein.  Es war auch genau diese Beobachtung, die ihn dazu veranlaßte "to inform the scholarly world as soon as possible about what might prove to be the key to the solution of the problem of the literary structure of the Pentateuch, more particularly of the Tetrateuch." (S.268)

Die Beobachtungen Labuschagnes gehen aber noch erheblich weiter ins Detail. Über 15 Seiten (S.282 - 296) erstreckt sich seine Synopse der Struktur des Pentateuchs, in der er seine Ergebnisse graphisch zusammenfaßt. Nur um einen ersten Eindruck von der Informationsdichte zu vermitteln habe ich mit meinem Scanner die Seite 282 abgelichtet (inkl. einiger handschriftlicher Einträge von mir, 'nicht schön, aber selten' ;-)   :


SYNOPSIS OF THE DIVINE SPEECH FORMULAS

Gedruckt im Heft ist das natürlich viel besser lesbar. Man sieht die ersten beiden 7 + 4 -Gruppierungen am Anfang der Genesis sowie den Beginn des "long-range bracketing system" mit qara und den Beginn eines "middle-range system" mit siwwah. 
Wie gesagt, geht Labuschagnes Analyse sehr ins Detail und muß sehr viel Zeit gekostet haben. Auch 4 Jahre später, in seinem eingangs zitierten Aufsatz, kann er noch über keine Veröffentlichung berichten, die sich mit seinem Ansatz auseinandergesetzt hätte. (Meines Wissens ist das bis heute - Juli 1999 - so geblieben. Wenn jemand etwas anderes weiß, möge er mich bitte benachrichtigen!) Sein programmatischer Aufruf von 1986 zur "Wiederentdeckung der Zahl als formbildender Faktor" (S.152) ist begleitet von Befürchtungen, daß dieser quantitative Ansatz von den theologischen Kollegen a priori verworfen werden wird: "Ich bin davon überzeugt, daß auch ich mich [gegenüber Schedls Logotechnik (RH)] aus bekannten Gründen abwehrend und verneinend verhalten hätte, wenn ich nicht [...] aufgrund meines Studiums der Gottesrede, insbesondere der Einleitungsformeln der Gottesrede im Pentateuch, entdeckt hätte, daß diese Formeln in bestimmten Modellen begegnen und eine unmißverständliche Struktur zeigen." (S. 153)
Was die statistische Überprüfung angeht, gilt hier das Gleiche, was schon am Ende von Akzent 4 gesagt wurde. Es gibt sehr viel zu tun: Wer ist bereit und in der Lage, einen Beitrag zu leisten?

  Nachwort (18.01.2000):

Irgendwann im Laufe des vorigen Jahres entdeckte ich eine (nicht-statistische) Kritik von C.J.Labuschagnes Veröffentlichung durch Philip R. Davies und David M. Gunn  sowie Labuschagnes Erwiderung darauf. Heute konnte ich sie endlich in der Bibliothek in Augenschein nehmen. Ergebnis: Es wurde mal wieder aneinander vorbeigeredet und nichts final entschieden. Wer sich mit dem Thema befaßt, muß aber diese beiden Beiträge unbedingt lesen.


Abstract:
(Akzent 5: Logotechnique and 'Divine Speech Formula' (C.J.Labuschagne))
The Dutch theologian Prof. C.J. Labuschagne not only gathered a considerable amount of material with regard to logotechnical analysis (Akzent 4), but he published already in 1982 a paper concerning the 'divine speech formulas' in the Pentateuch. These formulas are "denoting divine speech in the Pentateuch: the cases in which YHWH is the subject of the verbs 'amar, dibber, qara' and siwwah, and where the noun dabar is used in connection with YHWH." The formulas "form a distinct pattern in the books of Genesis - Numbers on the one hand, and in Deuteronomy on the other, where the formulas function in a different way." (p.268) There doesn't seem to be a single (published) statistical analysis concerned with his results up to this day. Who is willing and able to do it?
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Ende  Akzent 5



Akzent 6 ...
 



Anmerkungen/Erklärungen:

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Prolegomena = [griech. das im voraus Gesagte] bildungssprachl.: Vorrede, Vorbemerkungen, Einführung zu einem wissenschaftl. Werk.


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